Depesche 2-2021

1. Es ist vollbracht: Erfolgreicher Dialog zwischen Naturschutz und Landnutzung

Im April 2019 haben sich die Verbände des ländlichen Raumes zu einer „Volksinitiative BienenSummen“ zusammengeschlossen und ein Verfahren auf den Weg gebracht, welches über das erfolgreiche Einsammeln von Unterschriften, eine gemeinsame Erklärung mit einer ursprünglich konkurrierenden Volksinitiative und Abgeordneten des brandenburgischen Landtags, zum sogenannten „Insektendialog“ geführt hat. Wir freuen uns Ihnen berichten zu können, dass nach über einjährigen Verhandlungen ein Durchbruch gelungen ist, der in einem gemeinsamen Papier der drei Partnergruppen mündete. Es konnte sich dabei auf ein Artikelgesetz, mehrere parlamentarische Beschlussanträge und ein Kapitel mit klaren Aussagen zur finanziellen Absicherung der Programme verständigt werden.

Mit dieser Erklärung ist es uns zumindest für das Land Brandenburg gelungen, gerade auch im Licht der gegenwärtigen bundespolitischen Debatte zum Insektenschutz, Maßstäbe zu setzen. Erstmalig stehen mit langfristigen Übergangsbestimmungen versehene gesetzliche Regelungen klar benannten Finanzierungsnotwendigkeiten und deren Absicherung gegenüber. Die Beschlussvereinbarung zum Insektendialog (vgl. Anlage 1) sowie die gemeinsame Pressemitteilung (vgl. Anlage 2) finden Sie anbei.

Unsere Kollegen aus dem Forum Natur Brandenburg, Gregor Beyer und Henrik Wendorff, haben hierzu ein Video aufgenommen, in welchem sie das Ergebnis und den weiteren Gang der Dinge im Rahmen der Vereinbarung zum Insektenschutz darlegen. Sie haben die Betroffenheit aller Landnutzer deutlich gemacht, weshalb beispielsweise auch Fragen wie die zukünftige Vertretung im Naturschutzfonds thematisiert wurden.

Das Video ist immerhin 34 Minuten lang und daher keiner der üblichen Kurzvideoclips. Wer jedoch einen umfassenden Überblick über das Verhandlungsergebnis erlangen will, dem sei der Clip selbst, sowie dessen Weiterverbreitung, für eine ruhige Minute empfohlen:

https://youtu.be/1U1ym2DGD-Y

Anlage 1 zum Download im pdf Format

Anlage 2 zum Download im pdf Format

2. Agrarministerkonferenz: Einigung auf tragfähigen Kompromiss

Nach einer 33-stündigen Sonder-Agrarministerkonferenz (Sonder-AMK) am vergangenen Freitag (26.03) in Berlin, haben die Agrarminister der Länder im dritten Anlauf einstimmig einen Kompromiss zur Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 gefunden.

Die gute Nachricht vorweg: Es ist gegen eine Kappung und gegen eine Degression gestimmt worden!
Unser Bundesverband hat die wichtigsten Vereinbarungen für uns wie folgt zusammengefasst:

  • Mindestbudget für die Öko-Regelungen von 25 Prozent der Mittel für die Direktzahlungen
  • Für die Umschichtung in die zweite Säule soll ein Stufenplan gelten. Der Start erfolgt 2023 mit 10 Prozent. In den Folgejahren werden folgende Sätze angewendet:
    2024: 11 Prozent
    2025: 12,5 Prozent
    2026: 15 Prozent
  • Dadurch soll das Mindestbudget für Öko-Leistungen bis 2026 auf 40 Prozent steigen.
  • Über die Umschichtung in 2027, dem letzten Jahr der neuen Förderperiode, soll erst 2026 entschieden werden. Die Umschichtungsmittel sollen in den jeweiligen Bundesländern verbleiben.
  • Es wird keine Kappung und Degression der Direktzahlungen geben
  • 12 Prozent der Mittel für die Direktzahlungen werden auf die ersten 60 Hektare gestaffelt umverteilt
  • Verbundene Unternehmen werden nicht gemeinsam veranlagt
  • System der Zahlungsansprüche wird abgeschafft
  • Kriterium des „aktiven Landwirts“ wird nicht angewendet
  • Der Mindestanteil an nicht-produktiven Flächen (GLÖZ 9) soll den EU-Mindestvorgaben entsprechen
  • Junglandwirte erhalten eine Prämie von 70 Euro pro Hektar für die ersten 120 Hektar. Dafür werden 2 Prozent der Mittel für die Direktzahlungen reserviert
  • Zum Schutz von Dauergrünland (GLÖZ 1) wird eine Stichtagsregelung eingeführt. Das Referenzjahr soll 2015 sein, in Abhängigkeit vom Ergebnis der EU-Trilogs.
  • Deutschland wird eine gekoppelte Weidetierprämie einführen
  • In Deutschland werden außerdem mindestens folgende Öko-Regelungen angeboten: Freiwillige Aufstockung der nicht-produktiven Fläche gemäß Konditionalität, Anlage von Blühflächen und -streifen auf Ackerland und Dauerkulturflächen, Agroforstsysteme auf Ackerland, vielfältige Kulturen im Ackerbau inklusive Mindestanteil von 10 % Leguminosen und mindestens 5 Hauptfruchtarten, Anlage von Altgrasstreifen und -inseln auf Dauergrünland.
  • Zur Erfüllung des Mindestbudgets werden die in der zweiten Säule erbrachten Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, ökologischer Landbau, Tierschutzleistungen, die die festgelegte Mittelbindung von 30 % von Umweltleistungen überschreiten, in Höhe von 2 Prozentpunkten vorab angerechnet.
  • Die Länderminister einigten sich auch auf einen konkreten Verteilschlüssel für die ELER-Mittel in den Jahren 2023 bis 2027. Dabei kommt ein „Sicherheitsnetz Ost“ zum Tragen, das einen zu starken Mittelabfluss in die westlichen Bundesländer verhindert. Für das Saarland und Hamburg wurden Sonderregelungen getroffen.

Die Länder erwarten nun, dass die Bundesregierung ihre Position in den Gesetzesvorschlägen zur Umsetzung der EU-Agrarreform berücksichtigt. Die dahingehende Pressemitteilung (vgl. Anlage 3) unseres brandenburgischen Landwirtschaftsministers Axel Vogel finden Sie anbei. Die Entwürfe könnten schon am 31. März vom Bundeskabinett beschlossen werden. Zuvor müssen sie durch die Ressortabstimmung. Der Blick richtet sich nun auch auf den Trilog (Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Agrarrat) – hier wird eine zügige Einigung erwartet.

Anlage 3 zum Download im pdf Format

3. Studie: Die 50 größten Empfänger von GAP- und Kohäsionsfondsmitteln

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Kohäsionspolitik sind die beiden größten Ausgabenbereiche im EU-Budget. Im Jahr 2020 waren sie zusammen für mehr als zwei Drittel des EU-Haushalts verantwortlich. Anbei finden Sie einen Auszug aus dem Bericht der Europäischen Kommission „Die 50 größten Empfänger von GAP- und Kohäsionsfondsmitteln in jedem EU-Mitgliedstaat“ mit den vorläufigen Ergebnissen zu den Direktbegünstigten in Deutschland (vgl. Anlage 4). Ziel dieser Studie ist es, die bestehenden Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Direkt- und Endbegünstigten zu beheben. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich um GAP-Zahlungen insgesamt und nicht nur um Direktzahlungen handelt. Die meisten Empfänger auf den Listen sind übrigens öffentliche Einrichtungen – vor allem uns allen wohl bekannte Umweltbehörden.

Anlage 4 zum Download im pdf Format

4. Möglichkeit zur Korrektur auf tatsächlich Schutzwürdiges

Die EU-Kommission hat Deutschland wegen jahrelanger Verstöße gegen geltendes Naturschutzrecht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Unter anderem habe die Bundesrepublik eine bedeutende Anzahl von Gebieten immer noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen. Im Kern geht es um die mangelhafte Umsetzung der FFH-Richtlinie in Deutschland. Der rechtliche Dissens beruht aus Sicht der Kommission vor allem auf nicht ausreichend detailliert festgelegten gebietsspezifischen Erhaltungszielen.

Zur Wurzel allen Übels: In Deutschland kommen wir (historisch) argumentativ aus dem Naturschutz, wenn wir eine Fläche unter Schutz stellen. Es gibt also an einer bestimmten Stelle, in einem bestimmten Umfang und in einer bestimmten Qualität etwas (Natur-)Schutzwürdiges. Deshalb ist es gerechtfertigt, einen Zaun darum zu ziehen und Schutzvorschriften zu erlassen. Soweit so gut.

Ab dem Jahre 2000 eine Zäsur: In Brandenburg sind bestimmte Teilflächen des Landes Anfang der 2000er Jahre unter FFH-Schutz gestellt worden, weil dort im EU-Maßstab repräsentative Vorkommen bestimmter Lebensraumtypen (LRT) oder Arten anzutreffen sein sollten. Die jeweilige Art oder der LRT hat dabei aufgrund ihrer jeweiligen Biotopanforderungen bzw. seiner räumlichen Ausdehnung die Gebietskulisse, d.h. deren Ausdehnung und damit deren Grenzen bestimmt. Würde man diese Bestandsaufnahmen (also jede Dokumentation, mit der ein Gebiet als FFH-würdig identifiziert wurde) einem Soll-Ist-Vergleich unterziehen, würde sich in einer ganzen Reihe von Fällen herausstellen, dass von Schutzbedürftigkeit heute keine Rede mehr sein kann oder und dies ist noch viel schlimmer, nie sein konnte.

Wir stellen aufgrund jahrelanger Erfahrung fest: Die Gebietsausweisungen sind oftmals von Beliebigkeit gezeichnet. Arten bzw. LRT werden gegen andere ausgetauscht. Die Begründung: Es habe bei der Erstaufnahme ein „wissenschaftlicher Fehler“ vorgelegen. Doch, was genau ist eigentlich ein „wissenschaftlicher Fehler“? Und sollte dessen Korrektur nicht eigentlich zu einer Veränderung der Gebietskulisse führen? Denn es müsste ja mit dem Teufel zugehen, dass die/der „richtige“ Art bzw. LRT zufällig genau dieselbe Kulisse beansprucht, wie sein wissenschaftlich fehlerhaft festgestellter vermeintlicher Vorgänger. Licht ins Dunkel sollen sogenannte „Biotop-Kartierungen“ bringen, die oftmals nichts anderes sind, als die mehr oder minder verzweifelte und schlecht getarnte Suche nach einem schutzwürdigen Ersatz.

Worin sehen wir die Gefahr? Die FFH-Gebietsmeldungen waren zwar naturschutzrechtlich motiviert, aber wegen der gleichzeitig erhobenen Forderung nach einem landes- bzw. bundesweiten Mindestflächenvolumen von Anfang an schon nicht strikt naturschutzfachlich begründet, sondern immer auch mit dem Flächenargument belastet worden. Akzeptiert man das, kommt uns damit die rechtsstaatlich gebotene Rechtfertigung für die Einschränkungen auf diesen Flächen abhanden. Es geht aber nicht um Hülle (= Flächenanteil in qm), sondern um den schutzwürdigen Inhalt und dessen Gebietsanforderungen. Diese „Flächendenke“ wird mittlerweile als gottgegeben hingenommen. Wir halten das für außerordentlich gefährlich und vermissen aktive Gegenwehr gerade auch auf europäischer Ebene.

5. Abschließende Aufarbeitung des Bodenreformunrechts bei Neusiedlererbinnen und -erben

Mit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren, dem daraus resultierenden Einigungsvertrag sowie dem später folgendem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz haben die Länder die Möglichkeit geschaffen, sich im Eigentum von Erbinnen und Erben der ehemaligen Erwerberinnen und Erwerber befindlichen Grundstücke entschädigungslos zugunsten des Staates einzuziehen bzw. sich bei erfolgten Verkäufen die Erlöse zu sichern. Schon der Bundesgerichtshof sprach im Jahr 2007 in einer berühmten Entscheidung von „grob rechtsstaatswidrigem Verhalten“ und sowohl von „sittenwidriger“ als auch „nichtiger“ Enteignungspraxis.

Die regierenden Koalitionsfraktionen haben im November letzten Jahres regiert und einen Antrag auf „Abschließende Aufarbeitung des Bodenreformunrechts bei Neusiedlererbinnen und -erben“ zur Abstimmung gestellt. Den in einer Sitzung Ende Januar vom Landtag erwartungsgemäß gebilligten Antrag nebst Begründung finden Sie anbei (vgl. Anlage 5).

Die Landesregierung ist vor allem dazu aufgefordert:

  • die Suche nach bisher unbekannten Erbinnen/Erben in den Jahren 2021/2022 fortzusetzen.
  • Möglichkeiten zu schaffen, professionelle Erbenermittler einzusetzen.
  • Initiativen zur Rückgängigmachung von Grundstücksenteignungen des Landes umzusetzen.

Wir begrüßen die Initiative, derartige Versäumnisse aufzuarbeiten, indem politische Fehlentscheidungen der Vergangenheit nun endlich korrigiert und zum Abschluss gebracht werden.

Unabhängig vom Ausgang dieser Initiative kann der Landesgesetzgeber die nach dem Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des DDR-Finanzvermögens an die Länder übergegangenen und zuvor eingezogenen Bodenreformflächen wieder an die früheren Eigentümer rückübertragen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Wir werden die Realisierung dieses Vorhabens im Auge behalten und weiterhin berichten.

Anlage 5 zum Download im pdf Format